Wenn man einen Hund hat, gibt es viele Themen, über die häufig sehr emotional diskutiert wird. Dazu zählt das Kastrieren von Hunden. Ganz weit oben steht aber auch die Ernährung. Das sorgt schon mal dafür, dass besonders Neu-Hundebesitzer*innen schnell verunsichert sein können. Aber: Wie füttere ich meinen Hund richtig? Darüber habe ich für die Podcastfolge mit Ernährungsspezialistin Dr. Petra Kölle gesprochen. Sie arbeitet in der Kleintierklinik der LMU, wo es eine spezielle Adipositas-Sprechstunde für Hunde und Katzen gibt, die erste deutschlandweit. Zuerst hat sie mir in unserem Gespräch, das wir im Frühjahr 2018 geführt haben, erklärt, was man sich unter dieser Sprechstunde vorstellen kann.

Was ist eine Adipositas-Spezialsprechstunde?

Dr. Petra Kölle: Also das ist eine Sprechstunde, wo die Leute mit ihren Tieren vorbeischauen können. Das ist das Neue dran. Es gibt ja viele tierärztliche Ernährungsberatungen. Das läuft auch meist per E-Mail oder per Post ab oder per Telefon. Und bei uns kommen die Leute eben mit dem Tier. Das Tier wird angeschaut, vermessen, gewogen und wir unterhalten uns direkt mit dem Besitzer vor Ort. Und es kommen natürlich hauptsächlich Leute, die beschlossen haben, ihr Tier muss abnehmen.

Denise: Aber dann ist es mit Eigen- und Fremdwahrnehmung wahrscheinlich gar nicht so weit her bzw. so verkehrt, wenn die Leute sehen, dass ihre Tiere ich sage mal etwas zu viel auf den Rippen haben.

Dr. Petra Kölle: Ja, häufig ist ein Leidensdruck da, weil die Tiere, die wir sehen, sind sehr häufig krank. Also ein dickes Tier alleine; da sind relativ wenig Besitzer, die beschließen: Mein Tier muss jetzt abnehmen. Aber wenn zum Beispiel die Katze diabetischen wird durch das Übergewicht, dann ist da schon ein gewisser Leidensdruck beim Besitzer vorhanden.

Denise: Wie kam es denn überhaupt dazu, eine Adipositas Spezial Sprechstunde anzubieten?

Dr. Petra Kölle: Also das Ganze wurde angestoßen, auch durch einen Futtermittelhersteller, der eben schon eine große Adipositas Klinik in Großbritannien unterstützt. Und zusammen haben wir dann die Idee erarbeitet, hier auch so etwas zu etablieren. Eben dass wir auch in Deutschland eine Adipositas Sprechstunde vor Ort anbieten.

Wie viele Hunde und Katzen sind zu dick?

Denise: Können Sie einen Prozentsatz nennen, wie viele Tiere, Hunde, Katzen in Deutschland übergewichtig sind oder gibt es da gar keine Zahlen?

Dr. Petra Kölle: Doch es gibt schon Zahlen, die variieren, je nach Studie, je nachdem, wo man diese Tiere eben untersucht hat oder woher diese Untersuchungen stammen. Aber es schwankt so zwischen 40 und 48 Prozent.

Denise: Also fast jedes zweite Tier, also jeder zweite Hund, jede zweite Katze. Und liegt es meistens daran, weil die Halter falsch ernähren oder weil die Tiere wirklich krank sind?

Dr. Petra Kölle: In vielen Fällen ist es so, dass der Kalorienbedarf, also Energiebedarf des Tieres vom Besitzer überschätzt wird. Aber wenn die Tiere älter werden oder zum Beispiel kastriert werden, dann sinkt der Energiebedarf und häufig steht auf den Packungen auch relativ viel drauf. Selbst wenn man das füttert, was auf der Packung steht, was, wenn das für den Hund komplett wäre, die ganzen Extras, also Leckerli und Zahnputzsachen und Kaustreifen und Öl fürs Fell und die Leberwurst zum Eingeben von Tabletten und so weiter und so weiter. Das summiert sich unglaublich und das wird eben oft von dem Besitzer nicht bedacht. Also nicht nur das, was im Napf ist zählt, sondern im Prinzip alles, was du aufs Maul des Hundes geht oder der Katze.

Denise: Dann kann ich jetzt daraus schließen, dass die Angaben auf den Packungen wirklich die Maximalangaben sind. Das heißt nicht, man muss. Das sind ja die verschiedenen Gewichtsklassen und dann steht da, ich sage jetzt mal 260 Gramm am Tag. Das heißt nicht, dass ein Tier in dieser Gewichtsklasse 260 Gramm von diesem Futter essen muss.

Dr. Petra Kölle: Nein, diese 260 Gramm zum Beispiel, um bei dem Beispiel zu bleiben, sind eben für einen Hund, der ausschließlich dieses Futter kriegt, also zu 100 Prozent, wird der Energiebedarf nur über dieses Futter gedeckt. Er kriegt keine Leckerli, zusätzlich keine Kauprodukte und ähnliches. Und außerdem, wenn er kastriert und lebhaft ist, also noch eher jünger ist ab acht Jahren sinkt der Kalorienbedarf doch ziemlich deutlich.

Futterrechner im Netz können helfen

Denise: Gibts da einen Ratschlag, den Sie geben können, wie ich sozusagen den richtigen, den konkreten Energiebedarf erfassen kann oder wie viel Futter ich dann geben soll?

Dr. Petra Kölle: Es gibt Futterrechner im Internet, wo man eben ausrechnen kann, wie hoch der Kalorienbedarf seines eigenen Hundes ist und wo man auch ausrechnen kann, wie viel Kalorien das verfütterte Futter enthält und wie viel ich davon füttern müsste. Aber das Problem ist sind ja wie gesagt eben auch noch die ganzen Leckerli.

Denise: Gibt es denn Hunderassen, die anfälliger sind für Übergewicht?

Dr. Petra Kölle: Ja, gibt es schon. Also vor allem Beagles und Labrador und Möpse sind doch oft recht verfressen und dementsprechend auch überdurchschnittlich häufig dick. Es gibt aber auch Rassen wie Windhunde oder auch Pudel, die selber wissen, wann Schluss ist.

Denise: Was geben Sie Herrchen und Frauchen mit auf den Weg, wenn jemand zu Ihnen kommt? Und sagen wir mal, da ist jetzt die Ursache nicht die Krankheit, sondern das einfach wirklich zu viel gegeben wird. Das ist ja dann auch sensibel. Wahrscheinlich.

Dr. Petra Kölle: Ja, das ist ein ziemlich sensibles Thema und wir machen erst mal eine Überprüfung, nachdem man den Hund oder die Katze eben vermessen und gewogen hat und mache eine ganz genaue Fütterungsanamnese und eine Überprüfung. Und in den meisten Fällen ist es dann schon so, dass das Tier viel mehr Kalorien rein gefüttert bekommt insgesamt als es eigentlich benötigen würde. Und dann schauen wir eben, woher diese ganzen Kalorien kommen und tauschen halt bestimmte Komponenten gegen energieärmere aus. Also zum Beispiel irgendwelche Leckerlies, dann eben gegen Scheibchen Möhre oder Apfel oder so was ziemlich wenig Kalorien enthält. Und eventuell habe ich das jetzt verfüttert Futter gegen eine Art Light Futter.

Denise: Weil ich war mir zum Beispiel gar nicht sicher, ob Hunde auch Möhren vertragen. Aber Gemüse/Obst ist kein Problem.

Dr. Petra Kölle: Ja, es gibt halt Gemüse- und Obstsorten, die man halt nicht verfüttern sollte, wie zum Beispiel Weintrauben oder Rosinen und auch Zwiebeln oder auch Avocado wird häufig als giftig angeführt. Da sind Vergiftungen bekannt, aber Apfel, Birne, Banane oder auch Möhren, Kohlrabi kann man bedenkenlos verfüttern.

Denise: Ich habe jetzt öfter mal im Internet gelesen: Wenn ich mein Tier anschaue und man sieht leicht die Rippen, dann ist es quasi ideal. Stimmt das oder ist das totaler Quatsch?

Dr. Petra Kölle: Sehen tut man das natürlich nur bei kurzhaarigen Tieren. Man sollte sie aber auf jeden Fall tasten können. Man sollte jede einzelne Rippe mit den Fingern voneinander unterscheiden können. Und wenn man den Hund oder der Katze von vorne nach hinten von oben so entlang fährt, sollte man eine Einziehung haben, also so eine sogenannte Teile. Also wenn das Tier ausschaut von oben wie eine Wurst, dann ist es definitiv zu dick.

Ernährungsmythen

Denise: Da fallen mir jetzt ehrlich gesagt wirklich Möpse ein, die ich kenne, die so ein bisschen wurstelig aussehen. Gibt es denn, wenn wir beim Thema Ernährung sind, Mythen, mit denen Sie aufräumen können?

Dr. Petra Kölle: Ja, zum Beispiel eben einen Hund muss wie ein Wolf ernährt werden. Das stimmt so gar nicht, weil einfach auch die genetischen Unterschiede doch relativ groß sind. So hat zum Beispiel ein Hund deutlich mehr Gene für die Stärkeverdauung als ein Wolf. Das heißt, der Hund kommt mit stärkereicher Kost sehr gut zurecht.

Trockenfutter vs. Barfen

Denise: Also meine Hündin bekommt Trockenfutter und manche Menschen rollen dann mit den Augen und sagen: “Was Trockenfutter? Barfen ist das einzig Wahre!” Also ich merke, Futter ist wirklich ein sehr sensibles Thema, wie Sie schon gesagt haben, aber da gibt es keine Wertung.

Dr. Petra Kölle: Es gibt einfach verschiedene Wege einen Hund oder eine Katze zu ernähren. Man muss es halt richtig machen. Man kann speziell beim Barfen oder insgesamt bei selbst zusammengestellten Rationen sehr viele Fehler machen. Viele Barfer vertreten die Meinung, dass man beim Barfen nichts zusetzen muss. Aber das hängt natürlich von den Bestandteilen ab. Gerade mit Spurenelementen wie Zink, Kupfer und Jod sind sehr häufig Unterversorgungen festzustellen. Oder es ist auch für einen Laien unglaublich schwer, das richtige Calcium-Phosphor-Verhältnis rauszufinden. Es sollte bei 1,3 bis 1,5 liegen, sonst drohen Skelettprobleme oder auch Nierenprobleme und das kriegt ein Laie kaum hin. Und bei jedem Hund ist der Bedarf auch anders. In Abhängigkeit von Rasse, von Größe, vom Alter, von Kastration, Status. Die Ernährung ist eine sehr individuelle Sache. Bei selbst zusammengestellten Rationen sollte man einen Spezialisten, also darauf spezialisierten Tierarzt zurate ziehen.

Denise: Also nicht einfach selbst zusammen mischen, beim Metzger irgendwas kaufen?

Dr. Petra Kölle: Nein. Also es kursieren auch sehr viele Rezepte im Internet oder in sogenannten BARF Büchern, die nicht von Tierärzten, die auf Ernährung spezialisiert, geschrieben worden sind. Und wenn man da die Rationen durchhält, sind da aber massive Defizite zu sehen.

Interesse an der Adipositas-Sprechstunde?

Denise: Wenn sich jetzt jemand angesprochen fühlt, weil sein Hund vielleicht ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hat, wie ist denn das Vorgehen? Kann ich einfach herkommen?

Dr. Petra Kölle: Nein, man braucht einen Termin und am besten ist es vorher einfach per Email mit mir in Kontakt zu treten. Die Daten findet man oder die Adresse findet man auf der Klinik Homepage von der medizinischen Kleintierklinik und den Fragebogen auszufüllen und mir zukommen zu lassen, per E-Mail, per Post, per Fax und ich trete dann mit den Besitzern in Kontakt. Und das gilt auch, wenn die Leute einfach nur eine telefonische Beratung wollen oder auch Beratung ohne Tier oder einfach nur eine Rationsberechnung,

Denise: Ja und ich habe im Internet auch gelesen, es gibt etwas, das nennt sich Diet Check. Was ist das genau?

Dr. Petra Kölle: Das ist ein Computerprogramm, womit wir eine computergestützte Berechnung machen können. Wir geben die ganzen Eckdaten für das Tier in dieses Programm ein und dieses rechnet mir dann den Energiebedarf des Tieres aus. Ist natürlich auch noch so ein bisschen das Augenmaß des Benutzers dabei. Deswegen sehe ich die Tiere ganz gerne, um halt wirklich zu sagen es sind soundso viel Prozent Übergewicht, weil ich dann einfach die Daten exakter eingeben kann. Das Programm wird nur an Tierärzte verkauft, ist also nicht für Hundebesitzer verfügbar. Man braucht natürlich entsprechendes Fachwissen, um dieses Programm einmal zu bedienen und auch zu wissen, zum Beispiel wenn ich jetzt einen Nährstoff etwas höher drin habe oder etwas niedriger, ob das vertretbar ist für dieses Tier oder nicht.

Denise: Würden Sie als Ratschlag sagen, abnehmen von Hunden oder von Tieren am besten unter tierärztlicher Aufsicht? Weil man ja, wenn ich jetzt so höre, Phosphat und alles Calcium, man kann ja doch einiges falsch machen.

Dr. Petra Kölle: Gut, es kommt drauf an, wie man das Ganze angeht. Also wenn man zum Beispiel ein käufliches Lightfutter nimmt, kann man sozusagen nicht so viel falsch machen. Da ist alles drin, wenn es das allein Futter deklariert ist. Wenn man jetzt einfach FDH macht mit dem gewohnten Futter, dann kriegt natürlich das Tier auch nur die Hälfte der Nährstoffe und dann kann es bei einzelnen Nährstoffen tatsächlich zu einem Mangel kommen. Das heißt, wenn die Leute sagen “Okay, sie wollen es bei diesem Futter bleiben. Wir machen dann sozusagen FDH, also die Hälfte, aber wir legen das dazu, was eben dann fehlt.” Häufig sind es halt verschiedene Spurenelemente oder eben Protein, zum Beispiel in Form von Magerquark wird dann so zugelegt, dass eben die Kalorien noch im Rahmen bleiben. Aber das das Tier eben alles hat, was es braucht.

Denise: Kann man eine Zeitspanne nennen? Wenn wir jetzt mal bei einem kleinen Mops sind, der vielleicht fünf Kilo zu viel wiegt. Wie lange würde es ungefähr dauern, bis der wieder Normalgewicht hat? Oder kann man das gar nicht abschätzen?

Dr. Petra Kölle: Doch man kann es etwa so abschätzen Das Tier sollte gesund abnehmen. Also nicht zu langsam und nicht zu schnell, weil gerade bei Katzen können sie Leberprobleme entwickeln, wenn die zu schnell abnehmen oder wenn die fasten. Und der optimale Gewichtsverlust wäre ein Prozent pro Woche und dann kann man das in etwa vorhersagen, wie das jeweilige Tier eben abzunehmen hat.

Denise: Was würden Sie generell Herrchen und Frauchen von Hunden, aber auch von Katzen raten?

Dr. Petra Kölle: Man sollte von Anfang an auf das Gewicht schauen, also schon beim Welpen sich vielleicht eine Wachstumskurve erstellen lassen und dann beim jungen/jüngeren Hund eben schon drauf achten, dass nicht da schon Übergewicht entsteht und nach Kastration mit dem Futter runtergehen oder eben Produkte für kastrierte Tiere benutzen, weil die auch weniger energiedicht sind. Und man schenkt seinem Hund oder eine Katze damit eben vermehrt Lebenszeit. Bei Hunden gibt es Langzeitstudien, die sagen bis zu zwei Jahre leben idealgewichtige Tiere länger als dicke Tiere. Also man hat deutlich mehr gemeinsame Zeit, wenn das Tier dünner ist, weil es einfach weniger anfällig ist für Krankheiten. Und es hat auch einfach mehr Lebensqualität. Das ist das, was die Leute mir immer sagen, wenn das Tier schon mal erfolgreich abgenommen hat, der ist viel lustiger. Ja, das sagen aber wahnsinnig viel Besitzer.

Wer sich noch näher informieren will, ob sein Hund Unter-, Ideal- oder Übergewicht hat, hier ein Tipp: Einfach im Internet nach Body Condition Score suchen. Da werden dann Tabellen angezeigt, wo man ganz leicht selbst nachschauen kann, ob der eigene Hund ein bisschen zu viel wiegt. Da geht es dann eben um die Körperform und was man beim Hund fühlen kann oder halt nicht.

Wenn ihr interessiert seid an meiner Arbeit als Hundetrainerin, schaut Euch auf meiner Homepage www.zamperl-amore.de um.